Unser Bild vom Kind (und: Warum wir kein “Leitbild” haben)

Ganz im Sinne der Dialektik einer geisteswissenschaftlichen Pädagogik betrachten wir das Kind zugleich als vollständigen wie auch als sich entwickelnden Menschen. Die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist ein Prozess, der jeden von uns ein Leben lang begleitet. Die Grundlage jeder weiteren Entwicklung wird in der frühen Kindheit gelegt („kritische Phase“).

In der frühen Kindheit wird damit ein wichtiger Grundstein für den späteren Bildungs- und Lebenserfolg gelegt. Sie gilt als die Lebensphase der größten Lernfähigkeit (Bildsamkeit), aber auch der größten Verletzlichkeit (Vulnerabilität). Im Zentrum der Bildsamkeit steht dabei nicht die gezielte Vermittlung von Fähigkeiten im Sinne von Beibringen oder Belehren (Instruktions-/Belehrungspädagogik), sondern die Bereitstellung von Gelegenheiten und Herausforderungen zur Aneignung von Fähigkeiten, welche die Entwicklung des Kindes voranbringen.

Die Idee eines „Leitbildes“ im engeren Sinne – das immer auch etwas Autoritäres, von außen Gesetztes an sich hat und dem womöglich eine kollektiv-gültige Zielvorstellung inhärent ist – versteht sich vor diesem Hintergrund nicht mit unserem pädagogischen Selbstverständnis, das das individuelle Kind in den Mittelpunkt unseres Handelns stellt. Im Raum steht die Idee eines grundsätzlich selbstkonstruktiven Kindes, dessen Selbstentfaltungskraft durch die Pädagog/inn/en bestmöglich unterstützt werden soll (Ko-Konstruktion).